Jugendkultur: Sind die Soft-Girls nur süß? Oder ist das Protest? - WELT (2024)

Jugendkultur: Sind die Soft-Girls nur süß? Oder ist das Protest? - WELT (1)

Nicole posiert mit bunten Schmetterlingsklammern im Haar, sie trägt ein rosa T-Shirt, auf dem „Angel“ steht – und hat rund 800.000 Follower auf TikTok, die dort mehr davon sehen wollen. Nicole ist ein typisches „Soft-Girl“, und damit Vertreterin einer Jugendsubkultur, die sich durch einen ganz bestimmten optischen Code manifestiert.

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Alles ging mit den VSCO-Girls los, sie waren der erste Teenager-Archetyp, dessen hyperspezielle Ästhetik sich via sozialer Medien verbreitete, vor allem natürlich auf TikTok – und das in solcher Masse, dass sie längst zur Parodie, zum Meme, von sich selbst wurden. Bei den Jungs sind es die „E-Boys“, die sich in Style und Inszenierung ganz bestimmten optischen Codes unterwerfen (man kann sie sich als sanft-ästhetische Version von Bill Kaulitz zu Tokio Hotel-Zeiten vorstellen). Es gibt auch ihr weibliches Pendant, die E-Girls, das „E“ steht hier für electronic, sie tragen viel Eyeliner, gefärbtes Haar und vielleicht ein halb-ironisch gemeintes Iron-Maiden-Shirt.

Es geht bei diesen Style-Jugendkulturen um eine visuelle Identität, die man online zeigt, die es aber, anders als ein nur für den Moment inszeniertes Instagram-Foto, auch als Look mit Botschaft in die reale Welt schafft.

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Die Soft-Girls sind nun die dritte Strömung der Teen-Girl-Taxonomie und werden vom „Urban Dictionary“ so beschrieben: „Ein Soft-Girl liebt Haarspangen und Haarbänder, süße Halsketten und Pfirsiche. In Sachen Make-up lieben sie rosa Rouge, sie sind außerdem süchtig nach Lipgloss und malen gern Herzchen oder Wolken in ihr Gesicht.“ Ihre Kleidung ist oft super-oversized, weil sie das noch kleiner und niedlicher erscheinen lässt, als Prototyp eines Soft-Girls gilt etwa Ariana Grande. Manch ein Millennial mag sich da an seine Jugend erinnert fühlen, als Zeitschriften, die „Girl“ oder „Mädchen“ hießen, rosa Lipgloss und Schmetterlingsspangen als „Extra“ mitführten – parallel haben die heute 30-Jährigen dann noch Diddl-Blockblätter gesammelt.

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Heute kommt beim Soft-Girl natürlich die Inszenierung in den sozialen Medien dazu. Auch das Soft Girl ist eine TikTok-Persona, dort läuft seit einer Weile die #softgirlchallenge mit Millionen von Beiträgen. Es geht um sogenannte Transformationsvideos, das Soft-Girl zeigt sich zunächst in einem eher trüben Emo-Grunge-Look, frei inspiriert von den E-Boys und Girls, und verwandelt sich dann in das, was sie ausmacht: ein gut gelauntes, rosa gekleidetes Girl mit glossy Make-up und hübschem Haar.

Diese Challenge steht prototypisch für eine wichtige Funktion der Personas von VSCO- bis Soft-Girl: Die Mitglieder der Generation Z können mit Persönlichkeiten und Ästhetik experimentieren, sich abgrenzen, sich definieren, sich finden oder neu erfinden. Sie verharren dabei nicht in Stereotypen, genauer gesagt erkennen sie sich selbst darin, überzeichnen ihre Merkmale selbstironisch, sind Style, Statement und Symbol gleichzeitig. Und damit so viel weiter als die Diddl- oder Punk und Hippie-Generationen vor ihnen es waren.

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Auch, weil das Soft-Girl-Dasein noch eine ganz andere Ebene hat – denn es geht es nicht primär darum, sich als verspieltes Mädchen zu inszenieren, uralte Tropen der Weiblichkeit in Niedlichkeit zu überzubetonen. Vielmehr soll gerade diese Inszenierung ultrafemininer Stereotypen genau das parodieren: Teenagermädchen nutzen das, was ihnen im Alltag zum Nachteil ausgelegt wird als subtile Botschaft ihrer Emanzipation.

Werden sie doch seit Generationen genau wegen ihrer Niedlichkeit, wegen rosa Röcken oder Glitzerlippenstift nicht ernst genommen, getätschelt – buchstäblich oder im übertragenen Sinne – und belächelt. Philosophieprofessor Simon May schrieb 2019 das Buch „The Power of Cute“, also über die Macht des Niedlichen. Er erklärt darin, dass das Überbetonen süßer Merkmale das bekannte Macht-Paradigma der Gesellschaft entmachte. Weil durch Ironie und Überzeichnung unklar werde –und das beabsichtigt – was das alles eigentlich soll.

„Ist das jetzt wirklich alles harmlos, hilflos? Ist es ein Spiel? Oder Protest?“, fragt er. Weil es darauf keine Antworten gibt, bleibt der Betrachter ratlos – und erfährt, wie oberflächlich und eindimensional er Menschen betrachtet und beurteilt.

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So kann man den Soft-Girl-Ästhetik aus verschiedenen Blickwinkeln sehen – als sarkastische Umkehrung tradierter Machtgefüge (Ihr nehmt uns nicht ernst? Das können wir besser!), als Manifestation des Frusts junger Mädchen, die nicht ernst genommen werden – und, wie so oft: als eine Art Eskapismus in eine heile, rosa Welt. Auf den ersten Blick.

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